Montag, 1. Februar 2021

Der Abbau von Sprachbarrieren ist bereits vor dem Kindergarteneintritt wichtig!

Votum von Angelika Murer Mikolasek zu ihrer Interpellation "Vorbereitung für den Kindergarten"

Geschätzte Anwesende im Saal und am Bildschirm

Gemäss der Interpellationsantwort des Stadtrats haben im Schuljahr 2020/21 deutlich mehr als die Hälfte, nämlich 57.44% der in den Kindergarten eingetretenen Kinder nicht Deutsch als Erstsprache angegeben. Insgesamt haben 28% nur wenig und 10% gar kein Deutsch gesprochen, als sie in den Kindergarten eingetreten sind – dies gemäss Einschätzung der Eltern. Somit sind die Kindergärten damit konfrontiert, dass 38% der eintretenden Kinder kaum Deutsch verstehen. Wenn man davon ausgeht, da die Verteilung der fremdsprachigen Kinder auf die Kindergärten je nach Quartier unterschiedlich ist, dürfte es einige Kindergärten geben, in denen der Anteil Kinder, die kaum Deutsch verstehen, noch deutlich höher ist. Hinzu kommt, dass sich gemäss der Antwort des Stadtrats ebenfalls deutlich mehr als ein Drittel der Kinder bei Kindergarteneintritt nicht selbständig an- und ausziehen können, fast 10 % der Kinder nicht selbständig auf die Toilette gehen können und vereinzelt sogar noch Windeln tragen.

Diese Zahlen machen mir Sorgen. Vor allem die fehlenden Deutschkenntnisse stellen für die betroffenen Kinder bereits zu Beginn ihrer Schulkarriere einen Bildungsnachteil dar, der bis zur späteren Integration in den Arbeitsmarkt Auswirkungen zeigt. Der hohe Anteil fremdsprachiger Kinder ist aber auch für die Primarschule Dübendorf eine grosse Herausforderung betreffend lntegration, Ressourcen und Logistik. Die Unterschiede zwischen den Kindern sind auch ohne Sprachbarrieren schon gross genug, um einen für alle Kinder geeigneten Unterricht zu gestalten. Wenn über ein Drittel dem Unterricht schon aufgrund der Sprachbarriere kaum folgen kann, stellt sich die Frage, wie ein qualitativ guter Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler, auch die Deutschsprachigen, gewährleistet werden kann. Zu den sprachlichen Barrieren kommen in den letzten Jahren die früheren Eintritte in den Kindergarten, wodurch die Kinder noch unselbständiger sind und die Entwicklungsunterschiede noch grösser. Die Belastung der Lehrpersonen ist dadurch hoch. Bereits jetzt ist es offenbar schwierig, geeignete Lehrpersonen für den Kindergarten zu finden, wie wir von der Primarschulpflege im Zusammenhang mit der Beschaffung der Ipads für den Kindergarten gehört haben.  

Aufgrund dieser Problematik hat die Stadt Kindergartenassistenzen eingeführt, welche in den ersten Wochen des Schuljahres zur Unterstützung der Lehrpersonen eingesetzt werden. Die Erfahrungen damit sind gut. Dass die Primarschulpflege diesen Ansatz weiterverfolgt, ist gerade aufgrund der vermehrt fehlenden Selbständigkeit der Kinder zu begrüssen. Das Problem der fehlenden Deutschkenntnisse kann damit aber nicht gelöst werden.

Der Stadtrat zählt in seiner Antwort auf, welche Massnahmen getroffen werden, um die fremdsprachigen Familien zu erreichen und sie zu ermutigen, einen Spielgruppenbesuch in Betracht zu ziehen, damit die Deutschkenntnisse der Kinder möglichst schon vor dem Kindergarteneintritt gefördert werden können. Dabei setzt der Stadtrat hauptsächlich auf Information – sowohl der Eltern, als auch der im Bildungsbereich tätigen Personen. Dies ist sicher ein wesentliches Element einer erfolgreichen Strategie, um möglichst viele Familien frühzeitig abzuholen. Offenbar können damit allein jedoch zu wenige Familien erreicht werden, denn obwohl die Massnahmen der Bildungslandschaft nun seit 3 Jahren laufen, ist der Anteil Kinder, die kaum Deutsch verstehen, immer noch sehr hoch, bzw. zu hoch.

Der Stadtrat sieht gemäss seiner Antwort keine weiteren Handlungsmöglichkeiten. Aus anderen Städten gibt es aber durchaus Erfahrungen mit weiteren Lösungsansätzen. In Basel-Stadt werden alle Kinder mittels Sprachtest erfasst und diejenigen, welche zu wenig gut Deutsch verstehen, müssen verbindlich eine Kindertagesstätte besuchen. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und der Erfolg klar nachgewiesen. Im Kanton Zürich fehlen für ein verbindliches Modell aber die gesetzlichen Grundlagen. Die Stadt Zürich hat hingegen mit einem zwar unverbindlichen, aber doch griffigen Modell, basierend ebenfalls auf einem Fragebogen über die Sprachkenntnisse, Erläuterung von Angeboten, finanzieller Unterstützung für Spielgruppe und Kindertagesstätten mit integrierter Deutschförderung gute Erfahrungen gemacht. Dadurch werden bereits eineinhalb Jahre vor Kindergarteneintritt Sprachbarrieren erkannt und abgebaut. Das Zürcher Projekt „Gut vorbereitet in den Kindergarten“ läuft seit einigen Jahren. Ich habe die Projektverantwortliche kontaktiert. Nach ihrer Auskunft wurde das Projekt während 2.5 Jahren in einem sehr umfangreichen Evaluationsbericht evaluiert. Die Erfahrungen seien so positiv, dass das Projekt nun auf die ganze Stadt ausgeweitet wurde.

Je früher fremdsprachige Kinder beim Spracherwerb gefördert werden, desto grösser sind ihre Chancen, als Erwachsene ein erfolgreiches Berufsleben zu haben, desto weniger Probleme haben später Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht und desto tiefer fallen die sozialen und ökonomischen Folgekosten für die Gesellschaft aus. Die Gesellschaft und damit auch die Stadt Dübendorf hat somit ein soziales aber auch ökonomisches Interesse daran, die betroffenen Kinder so früh als möglich, vor Kindergarteneintritt entsprechend abzuholen. Ich bin überzeugt davon, dass dadurch nicht nur die herausfordernde Situation in den Kindergärten für die Kinder und die Lehrpersonen verbessert werden könnte, sondern auch für die Gemeinschaft später entstehende Folgekosten (Förderungen, Sondersettings u.ä. in der Regelschule, weniger Wiederholungen von Schuljahren, grössere Homogenität in den Klassen usw.) reduziert werden können, womit der Steuerfranken effizienter eingesetzt wäre.

Es wäre dringend angezeigt, dem Problem weiterhin die nötige Beachtung zu schenken und nach Lösungsansätzen zu suchen. Am einfachsten wäre es, Kontakt aufzunehmen mit denjenigen Städten, die bereits Erfahrungen gemacht haben, also beispielsweise Zürich, und deren Modell vertiefter zu prüfen und abzuklären, ob das Modell oder eventuell einzelne Elemente daraus auch für Dübendorf angewendet werden könnten. Das heisst nicht, dass man das Modell eins zu eins übernehmen muss, sondern es kann daraus durchaus auch eine eigene Dübendorfer Lösung entstehen. Ich könnte mir beispielsweise gut vorstellen, dass das Element mit dem Fragebogen über die Sprachkenntnisse für Dübendorf Sinn macht und es einiges bewirkt, wenn man die betroffenen Familien dann richtig abholt, zum Beispiel mit einem persönlichen Gespräch und auch durch die Brückenbauer*Innen. Dass dies nicht einmal geprüft wurde und offenbar auch nicht geplant ist, der Sache weiter nachzugehen, ist bedauerlich und kann aus unserer Sicht so nicht stehengelassen werden. Es wird daher ein Postulat folgen und ich möchte alle Gemeinderäte und Gemeinderätinnen dazu einladen, hier mitzumachen. Besten Dank!