Freitag, 27. Mai 2016

Das Laienrichtertum – eine teure Illusion auf Kosten der Rechtsuchenden

Gehen Sie zum Schreiner, wenn bei Ihrem Auto die Bremsen nicht mehr funktionieren? Rufen Sie den Bäcker, wenn Ihre Wasserleitung leckt? Oder lassen Sie Ihr kaputtes Knie von einem Sanitär operieren? Wohl kaum.

Auch wenn Sie ein rechtliches Problem haben, wenden Sie sich an einen ausgebildeten Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, genau wie Ihre Gegenpartei auch. Auch der anklagende Staatsanwalt verfügt über eine entsprechende Ausbildung. Nur der Richter, der Ihren Fall schliesslich beurteilen wird, muss nach heutigem Recht über keine spezifische Ausbildung verfügen. Diejenige Person, die einen Rechtsstreit schliesslich entscheidet, ist also der einzige Nicht-Profi, ein Laie.

Dass dies funktioniert, ist eine Illusion. Früher konnten die Laienrichterinnen und Laienrichter in Kollegialgerichtsfällen mit juristisch ausgebildeten Mitrichtern Erfahrung sammeln und sich ein Grundwissen aneignen. In den vergangenen Jahren wurde die Kompetenz der Einzelrichter jedoch stark ausgeweitet. Im Kanton Zürich amten Laienrichter regelmässig als Einzelrichter. Kollegialgerichtsfälle, bei denen Laienrichter Erfahrungen und Wissen von den ausgebildeten Richtern erwerben könnten, machen nur noch knapp 3.5 % aller Fälle aus. Das heisst, wer als Richter gewählt wird, muss unser Recht ab dem ersten Arbeitstag – ohne Einarbeitungszeit – anwenden können. Juristen, die eine berufliche Laufbahn als Richterinnen oder Richter anstreben, sammeln bis zu ihrer Wahl viele Jahre Erfahrung in der Justiz: Nach dem Berufseinstieg als Auditoren am Bezirksgericht folgt bei entsprechender Eignung eine Gerichtsschreiberstelle. Den qualifiziertesten Gerichtsschreibern steht sodann der Wechsel an eine Gerichtsschreiberstelle am Obergericht offen. Mit entsprechender Erfahrung und Eignung können dann erste Richtererfahrungen als nebenamtliche und später vollamtliche Richter gesammelt werden. Nach dieser Laufbahn sind diese Juristen bei einer Wahl als Bezirksrichter vom ersten Tag an in der Lage, ihr Amt den Anforderungen entsprechend auszuüben.

Dies ist für einen Laien, der nicht nur über kein Studium, sondern auch über keine Erfahrung in der Justiz verfügt, unmöglich. Dies führt dazu, dass die Bezirksgerichte den Laienrichtern nur einfache Fälle zur Bearbeitung geben können und ihnen zusätzlich Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber zur Seite stellen müssen, die die Fälle für die Richter erledigen. So ist der Laienrichter lediglich eine Marionette, die eigentliche Arbeit verrichtet der Gerichtsschreiber, und der Laienrichter kann nur einen Teil der anfallenden Arbeit erledigen. Die restliche Arbeitslast haben die juristisch ausgebildeten Richter zu schultern, was bei einzelnen Gerichten zu Kapazitätsengpässen führt.

Faktisch sind Laienrichter heute nicht mehr in der Lage, dieses Amt gemäss den damit verbundenen Anforderungen auszuüben. Deshalb haben in jüngerer Zeit bereits mehrere Laienrichter nach kurzer Zeit aus Überforderung das Handtuch geworfen. Unter anderem hat auch in unserem Bezirk ein gestandener Polizist, dem sogar während eines Jahres eine zusätzliche, versierte Gerichtsschreiberin zur Seite gestellt wurde und der mindestens im Strafrecht über viel Erfahrung verfügte, nach einem Jahr das Amt aus Überforderung niedergelegt. Ein solches System ist teuer, ineffizient und wird den Anliegen der rechtssuchenden Parteien nicht gerecht. Wer Recht sprechen will, muss die Gesetze und Prozesse kennen. Nur so ist sichergestellt, dass Prozesse und Urteile fair sind. Daher unterstützt die glp/GEU die Abstimmungsvorlage und empfiehlt ein klares JA zur Abschaffung des Laienrichtertums.

Angelika Murer Mikolasek, Gemeinderätin Dübendorf GEU/glp