Montag, 6. September 2021

Tempo 30 und das seltsame Demokratieverständnis der SVP

Votum von Thomas Maier

Herr Präsident, geschätzte Ratskolleginnen und Ratskollegen, geschätzte Mitglieder des Stadtrates, geschätztes Publikum

 

Gerne nehme ich für die Fraktion der geu/glp kurz Stellung zur vorliegenden Motion der SVP.

 

Die Motionäre haben ja bereits im Vorfeld zur heutigen Sitzung und im Nachgang zur Abstimmung am 13. Juni 2021 intensive Themenbewirtschaftung und vor allem schon intensiven Wahlkampf betrieben. Leider ist das typisch für den Politstil der Motionäre und an sich auch überhaupt nicht überraschend.

 

Allerdings gibt es, bei all dem Trommelwirbel, den ihr hier veranstaltet, einen äusserst ernsten, wichtigen Kern, der für das erfolgreiche Funktionieren unseres Zusammenlebens und unserer Demokratie von zentraler Bedeutung ist. Daran möchte ich euch heute erinnern.

 

Von vorne beginnend: Natürlich fliegen in einem Abstimmungskampf auch ab und zu einmal die Fetzen, es werden Dinge und Zusammenhänge vereinfacht dargestellt und die Dinge miteinander verknüpft, die einem, inhaltlich betrachtet zur Zielerreichung, gerade nützlich erscheinen. Es werden bewusst Emotionen geschürt und Zufälle ausgenutzt. So geschehen im Abstimmungskampf zu T30 in unseren Quartieren am 13. Juni 2021 von Seiten der SVP. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden.

 

Fakt 1 ist: Wir haben am 13. Juni über T30 in unseren Quartieren abgestimmt – nicht über T30 in unserem Zentrum. Dass kurz vor der Abstimmung T30 im Zentrum umgesetzt wurde, ist reiner Zufall und v.a. auf die lange Verzögerung durch, mittlerweile rechtskräftig definitiv abgewiesene Einsprachen aus den gleichen Kreisen, zurückzuführen.

 

Fakt 2 ist: Wir Befürworter von T30 in den Quartieren haben die Abstimmung klar verloren. Wir akzeptieren das und damit ist T30 in unseren Quartieren in dieser Form vorerst kein Thema mehr.

 

Die Gewinner proklamieren jetzt, das konnte man in den Zeitungen lesen, die Königsdisziplin der Demokratie wäre es, wenn T30 auch überall sonst wieder verschwinden würde.

 

Ich habe mir lange überlegt, was die Steigerung von Königsdisziplin, sein könnte. Aber es geht nicht um eine Steigerung – sondern eben um Fundamentaleres. Fundamental in einer (direkten) Demokratie ist, dass Gewinner im Siegesrausch nicht noch weiter gehen, sondern auf unterlegene Minderheiten zugehen und ihnen die Hand reichen. Nur so lassen sich, verhärtete Fronten und gespaltene Gesellschaften vermeiden, nur so finden wir alle zusammen die langfristig wirklich guten und belastbaren Lösungen. Genau dieses aufeinander Zugehen und dann zusammen weiterarbeiten, ist das zentrale Erfolgsrezept unserer Demokratie. Denn die Minderheit, das sind in diesem Fall mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Und wir alle gehören immer wieder zu Gewinnern & Verlierern – leben & arbeiten & suchen unsere Glück aber alle in der gleichen Stadt. Und wir alle sind dankbar in einem sauber funktionierenden Rechtstaat zu leben.

 

Aufeinander zugehen würde hier zum Beispiel bedeuten, wenn die Gewinner jetzt auf uns zukämen mit Vorschlägen, wie wir unsere Schulwege sicherer machen, zum Beispiel.

 

Mit dieser Motion tun sie nun genau das Gegenteil. Ich finde das, kurz gesagt, sehr schade.

 

Das wäre übrigens so, wie wenn wir nach dem Gewinn der Abstimmungen in vielen Migrationsfragen, wo ihr verloren habt, dann einfach gesagt hätten: Jetzt machen wir die Grenzen erst recht auf und lassen alle rein. Oder – ein sehr einfaches Beispiel – nach der gewonnenen Abstimmung zum Gripen - Kampfflugzeug gleich die ganze Abschaffung der Flugwaffe gefordert hätten. Stattdessen haben wir Hand geboten für einen neue Anlauf, der nun erfolgreich ist. ES gäbe noch weitere Beispiele.

 

 

Leider nehmt ihr es selber auch nicht so genau im umgekehrten Fall, wenn es euch gerade passt. Oder wieso kommt ihr jetzt auf die Idee, nach dem so klaren Volksentscheid vor ein paar Jahren, den Bau neuer Atomkraftwerke zu fordern?

 

Für uns ist klar: diese Motion wirkt spaltend und nicht verbindend und wir lehnen sie v.a. deswegen ab.

 

Und zum Thema Wahlkampf: im Frühling 2022 haben tatsächlich alle Stimmberechtigten in Dübendorf wieder die Wahl. Entweder noch mehr Polemik und Trommelwirbel und Spaltung oder dann als Alternative sach- und lösungsorientierte Politik, welche zumindest versucht verbindend zu wirken.