«Wir wünschen uns Tempo 30». Dieser Wunsch ist 8 Mal von Dübendorferinnen und Dübendorfer an den Stadtrat gerichtet worden, und zwar bei 8 verschiedenen Gelegenheiten, nämlich an den 8 vom SR im Jahr 2011 durchgeführten Quartierveranstaltungen. Ziel von den Quartierveranstaltungen ist es gewesen, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfassen, damit man sie in das Gesamtverkehrskonzept (GVK) einfliessen lassen kann, das – ich sage es mal neutral – in Arbeit ist. Das heisst also: In allen Quartieren ist Tempo 30 ein Bedürfnis. Das hat auch der Stadtrat am 9. Workshop festgehalten, der mit Vertretern von Parteien und vom Gewerbe durchgeführt wurde. In den Unterlagen für den Workshop schrieb der Stadtrat: Wir dürfen dieses Bedürfnis nicht ignorieren. Auch der Stadtrat hat dies erkannt und sich das Thema Verkehr in die Agenda geschrieben. Und wo stehen wir punkto Tempo 30?
Warum wollen Teile der Bevölkerung Tempo 30, in Dübendorf und vielen anderen Gemeinden? Wir können zwar nur spekulieren, aber die Erfahrung sagt uns, dass die Menschen folgendes wollen: weniger Verkehr in den Quartieren, weniger Lärm, mehr Sicherheit, mehr Raum zum Leben. Kurz: mehr Wohn- und Lebensqualität. Kann Tempo 30 das leisten? Die Antwort ist mehrfach wissenschaftlich belegt: Ja! Auch wenn noch alte Vorurteile herumgeistern: Zum Beispiel wird immer noch behauptet, man müsse bei Tempo 30 dauernd auf den Tacho schauen und sei darum abgelenkt. Warum es schwieriger sein soll Tempo 30 einzuhalten als Tempo 50, bleibt mir ein Rätsel. Nein, man kann klar sagen, dass Tempo 30 die Sicherheit massiv erhöht. Zudem macht es Strassen und Gebiete unattraktiver für Schleichverkehr. Der Quell- und Zielverkehr verliert dabei kaum Zeit.
Unsere Volksinitiaitve trägt den Namen ‚Tempo 50/30 für Dübendorf’ und orientiert sich an einem Modell, das von der bfu (Beratungsstelle für Unfallverhütung) erarbeitet worden ist. Das Modell greift ein zentrales Anliegen auf: Es wird auf ganzen Gemeindegebieten angewendet. Das Modell ist bis heute noch nie auf eine ganze Gemeinde angewendet worden, mehrere Gemeinden sind jedoch auf dem Weg dazu. Zahllose andere Gemeinden haben entsprechende Projekte mit Tempo 30 in Wohnquartieren und Tempo 50 auf Hauptverkehrsachsen umgesetzt, unabhängig von diesem Modell. Es ist also nicht so, dass dieses Prinzip exotisch wäre. Wenn ein Verkehrsregime Tempo 50/30 schlussendlich nicht umgesetzt wurde, dann sind die Gründe vor allem politischer Natur gewesen.
Das herausragendste Merkmal des Modells ist, dass es ganzheitlich ist. Und das kann durchaus abschreckend wirken. Es betrachtet den gesamten Verkehr auf einem Gebiet, Haupt- und Nebenstrassen, Kantons- und Gemeindestrassen, den motorisierten Individualverkehr, den ÖV, den Velo- und Fussgängerverkehr. Das ist die Stärke dieses Modells. Denn Verkehr passiert nicht punktuell, er fliesst und es bestehen komplexe Wechselwirkungen. Durch ein nachvollziehbares Temporegime mit zwei Höchstgeschwindigkeiten schafft das Modell aber auch viel Klarheit. Es zielt darauf ab, Gefahrenpunkte zu entschärfen und gleichzeitig den Verkehr flüssig zu machen. Sozusagen ein Gesamtverkehrskonzept. Der Vorwurf, die Initianten hätten einfach den Wortlaut der bfu in der Volksinitiatzive übernommen, ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache. Allerdings eine, die logisch ist, weil wir ja die Umsetzung von eben diesem Modell im Zusammenarbeit mit der bfu vorschlagen. Wir haben übrigens natürlich Rücksprache mit der bfu gehalten und haben daher keine Plagiatsvorwürfe zu befürchten.
Häufig wird behauptet, Tempo 30-Zonen seien teuer. Dabei kann die Volksinitiative kostengünstig umgesetzt werden. Statt zahlreiche einzelne Bewilligungsverfahren durchzuführen, was offensichtlich teuer käme, braucht es nur ein Bewilligungsverfahren. Und: In der Volksinitiative wird explizit festgelegt, dass die Realisierung möglichst kostengünstig zu erfolgen hat. Das kann insbesondere mit zwei Massnahmen erreicht werden. Erstens: Die Umsetzung erfolgt etappenweise und in Koordination mit notwendigen geplanten Strassenunterhaltsarbeiten. Wir können uns also die nötige Zeit nehmen, ein Zeithorizont ist in der Volksinitiative explizit nicht festgelegt. Denkbar wäre zum Beispiel ein 10-Jahres-Plan. Zweitens: Die Tempo-30-Zonen werden nur mit den zwingend nötigen baulichen Massnahmen realisiert. Bei Bedarf wird nachträglich punktuell nachgerüstet. Wie sieht so eine Minimallösung aus? Sie besteht aus Signalisationsmassnahmen wie Bodenmarkierungen und einem einfachen Eingangstor. Zudem müssen einige bestehende Bodenmarkierungen, insbesondere Fussgängerstreifen, entfernt werden, was in Koordination mit notwendigen Strassenunterhaltsarbeiten kein Problem darstellt. Zahllose Gemeinden in der ganzen Schweiz haben so kostengünstige Tempo 30-Zonen eingerichtet, z.B. Wald. Ich habe mit der Vorsteherin des Departements Planung und Verkehr der Gemeinde Köniz gesprochen. Köniz hat ca. 40'000 Einwohner auf einem Gemeindegebiet von 51km2, das von 170km Strasse und 70km Trottoirs durchquert wird. Dübendorf ist also eine Nummer kleiner. In Köniz ist vor ca. 10 Jahren aufgrund von einer Motion entschieden worden, in allen Wohnquartieren Tempo 30 einzuführen. Die Umsetzung ist mittlerweile zu ca. 90% erfolgt. Die Zonen sind mit minimalem Aufwand eingerichtet und später punktuell nachgerüstet worden. Die nach und nach anfallenden Kosten sind überschaubar gewesen und über die laufende Rechnung gelaufen. Es ist in den allermeisten Fällen bei Signalisationsmassnahmen geblieben: Bodenmarkierungen oder Leitpfeile.
Die Akzeptanz von Tempo 30 in der Bevölkerung wurde wissenschaftlich erfasst. Die Studie hat ergeben, dass die Bevölkerung sehr zufrieden ist mit der Verkehrsberuhigung in den Quartieren. Die Könizer sind so überzeugt davon, dass die Gemeinde sogar auf einer stark befahrenen Kantonsstrasse über eine Länge von 300m Tempo 30 eingeführt hat. Mitten im belebten Zentrum bewegen sich Autos, LKWs, Busse, Velos und Fussgänger auf der Strasse, ohne Fussgängerstreifen. Und es funktioniert hervorragend. Die Bevölkerung ist begeistert, der Kanton Bern auch, sonst hätte er die Tempo 30-Zone nicht bewilligt.
Unsere Volksinitiative ist kein Kreditantrag. Die Volksinitiative ist in der Form einer allgemeinen Anregung formuliert. Der Entscheid ist also nicht ein Entscheid über einzelne Bodenwellen. Es geht um einen Grundsatzentscheid: Wollen wir ein einheitliches Temporegime in Dübendorf mit den Höchstgeschwindigkeiten 50 und 30? Wollen wir eine Verkehrsberuhigung in den Quartieren?
Aber war da nicht noch was? Der Stadtrat arbeitet doch seit Jahren an einem Gesamtverkehrskonzept. Es wurden Quartierveranstaltungen durchgeführt, Daten erhoben, Studien in Auftrag gegeben. Untergräbt die Volksinitiative womöglich die geleistete Arbeit? Pfuschen wir dem Stadtrat ins Konzept? Wenn wir die konkreten Resultate der Arbeit am Gesamtverkehrskonzept betrachten, sind die meisten enttäuscht. Wir haben ein ansatzweise umgesetztes Konzept ‚Sichere Schulwege’, ein Konzept ‚Verkehrsmengensteuerung’ mit geplanten Eingangstoren, die den Stau ausserhalb des Zentrums halten sollen, ein zaghaftes Arbeiten am Velokonzept und ein Datum für eine kommende Infoveranstaltung. Unsere Erwartungen an das Gesamtverkehrskonzept sind vom Stadtrat regelmässig geschürt worden, zurückgeblieben ist eine gewisse Ratlosigkeit. Ich will damit nicht sagen, dass die bisher geleistete Arbeit des Stadtrates wertlos ist, auf keinen Fall. Aber die Ausbeute ist bis heute zu klein. Das zeigt sich übrigens auch am Gegenvorschlag, den der Stadtrat zur Volksinitiative vorgelegt hat. Der ist bis zur Unbrauchbarkeit unverbindlich. Die Volksinitiative pfuscht nicht in die Arbeit des Stadtrates, sie ergänzt und konkretisiert sie. Im letzten Bericht zum Gesamtverkehrskonzept von April 2012 hält der Stadtrat fest: Das Modell ‚Tempo 50/30’ ist ein geeignetes Instrument, um genau diese Anliegen umzusetzen. Übrigens ist auch die bfu der Meinung, dass sich das Gesamtverkehrskonzept und die Volksinitiative ergänzen.
Notabene arbeitet der Stadtrat im Rahmen des Gesamtverkehrskonzepts mit der bfu zusammen, sie wissen also ziemlich genau, wovon sie sprechen. Darum könnte der Zeitpunkt nicht besser sein für diesen Entscheid. Jetzt ist der Moment!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt euch folgendes vor: Alle Menschen, die sich in Dübendorf auf den Strassen bewegen, egal mit welchen Mitteln, Ausgangs- oder Zielort, wissen, dass hier die Regeln klar sind. Befinde ich mich auf einer grossen Strasse, gilt Tempo 50. Sobald ich mich von dieser Strasse wegbewege auf kleinere Strassen oder aber in unmittelbarer Nähe von Schulen und Kindergärten, gilt Tempo 30. Dieses Regime ist für jeden logisch nachvollziehbar und einfach. Und einfache Regeln werden besser eingehalten, auch ohne dass man die Menschen mit teuren Massnahmen dazu zwingt. Diese Volksinitiative ist ein konkreter und kostengünstiger Vorschlag, um die Verkehrssituation in ganz Dübendorf zu verbessern. Sie greift die Anliegen der Bevölkerung auf, ist gerecht, weil sie keine Quartiere bevorzugt, und entspricht den Zielen des Stadtrates, indem sie sich in seine bisherige Arbeit einfügt.
Valeria Rampone, Gemeinderätin